Tirzepatid und Semaglutid in Abnehmspritzen wirken unterschiedlich


BELLEVUE - Mit Abnehmspritzen kann das Körpergewicht anhaltend reduziert werden. Bei der Wirkung auf überzählige Kilos gibt es dabei Unterschiede zwischen den Wirkstoffen, wie eine Studie zeigt. Andere wichtige Merkmale bleiben aber unklar.

Eine vergleichende Studie bestätigt, dass sich mit dem Wirkstoff Tirzepatid ein stärkerer Gewichtsverlust erreichen lässt als mit Semaglutid. Das Nebenwirkungsrisiko beider Substanzen sei vergleichbar, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal "JAMA Internal Medicine". Aussagen zu Langzeitfolgen sowie zum Erreichen wichtiger Ziele wie einem verringerten Risiko für Herzinfarkte liessen sich aus der Analyse aber nicht ableiten.

Schon länger gegen Diabetes eingesetzt

Beide Wirkstoffe werden schon länger zur Behandlung eines Typ-2-Diabetes und seit 2023 auch bei übergewichtigen oder adipösen Menschen ohne Diabetes eingesetzt - wobei Patienten begleitend ihre Ernährung umstellen und sich mehr bewegen sollen. Tirzepatid zur Gewichtsreduktion ist unter dem Handelsnamen "Mounjaro" (Unternehmen: Eli Lilly) erhältlich, Semaglutid (Novo Nordisk) als "Wegovy".

Die Forschenden um Nicholas Stucky vom US-Unternehmen Truveta in Bellevue, das auf die Analyse elektronischer Gesundheitsdaten spezialisiert ist, nutzten Daten von gut 18'000 Erwachsenen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit, die in den USA mit Semaglutid oder Tirzepatid behandelt wurden. Ihr Durchschnittsalter betrug 52 Jahre, das mittlere Gewicht zu Beginn der Therapie 110 Kilogramm.

Nebenwirkungen ähnlich

Erfasst wurde, ob ein Gewichtsverlust von mindestens 5, 10 oder 15 Prozent erreicht wurde und wie sich das Gewicht nach 3, 6 und 12 Monaten Therapie entwickelt hatte. Patienten, die Tirzepatid erhielten, erreichten merklich häufiger einen Gewichtsverlust. Zudem waren die Veränderungen des Gewichts bei ihnen im Mittel grösser.

Die Ergebnisse bestätigen Hinweise aus früheren Studien, wie die Forschenden erläutern. Einige Daten im Detail: Knapp 82 Prozent der mit Tirzepatid behandelten Männer und Frauen erreichten 5 Prozent oder mehr Gewichtsverlust, mit Semaglutid waren es rund 67 Prozent. Eine Reduktion um 15 Prozent oder mehr erreichten rund 42 Prozent (Tirzepatid) und 18 Prozent (Semaglutid).

Die Rate an Magen-Darm-Problemen wie Übelkeit, Durchfall und Verstopfung als Nebenwirkung war bei beiden Gruppen ähnlich. Die Studie bestätigte auch, dass übergewichtige Menschen ohne Typ-2-Diabetes im Mittel mehr Gewicht verlieren als Patienten mit dieser Diagnose.

"Die Gründe dafür sind unklar", so die Forschenden. Eine mögliche Ursache sei eine unterschiedliche Motivation zur Gewichtsabnahme, verbunden damit, stärker nötige Änderungen wie eine andere Ernährung und mehr Bewegung anzugehen. Sprich: Menschen, die damit ihre Kilos purzeln lassen wollen, engagieren sich womöglich mehr als Menschen, für die die Stoffe nur Teil der regulären Diabetes-Behandlung sind.

Sehr häufiger Abbruch

Einschränkend gibt das Team um Stucky zu bedenken, dass für die Studie die Behandlung mit Medikamenten betrachtet wurde, die zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen sind. "Künftige Studien sind erforderlich, um Versionen zu vergleichen, die zur Gewichtsreduktion zugelassen sind." Nötig seien zudem Analysen dazu, wie gut die Wirkstoffe im Vergleich Herz-Kreislauf-Probleme und andere Folgen von Übergewicht vermindern.

Erwähnt wird zudem ein auffälliges Detail: Bei mehr als der Hälfte der einbezogenen Frauen und Männern endete die Behandlung, weil sie vom jeweiligen Patienten abgebrochen wurde. Der Anteil unterschied sich dabei bei Tirzepatid und Semaglutid wenig. Der jeweilige Grund wurde nicht erfasst, erläutern die Forschenden. Denkbar seien unter anderem unerwünschte Nebenwirkungen, die hohen Kosten der selbst zu zahlenden Therapie oder Engpässe bei der Erhältlichkeit der Präparate.

Die hohe Abbruch-Rate ist vor allem deshalb bedenklich, weil mehrere Studien gezeigt haben, dass es dann zum Jo-Jo-Effekt kommt: Das Gewicht steigt nach dem Absetzen wieder deutlich. Die Wirkstoffe müssen für einen anhaltenden Effekt also quasi lebenslang verwendet werden - wobei die Langzeitfolgen noch unklar sind.

Weniger Hungergefühle

Tirzepatid und Semaglutid gehören zu den sogenannten GLP-1-Rezeptoragonisten, in der Öffentlichkeit sind sie inzwischen weithin als Abnehmspritze bekannt. Dies nicht zuletzt, weil US-Prominente sie dafür nutzen. Die Stoffe ahmen die Wirkung des körpereigenen Hormons GLP-1 nach. Im Gehirn wird mit ihnen der Impuls gesetzt, satt zu sein. Hungergefühle werden vermindert, Heisshungerattacken sind seltener und weniger stark, die Vorliebe für besonders fetthaltige Nahrungsmittel schwindet.

Seit November 2023 ist "Wegovy" in der Schweiz erhältlich; zugelassen wurde es bereits früher. Patientinnen und Patienten erhalten das Medikament nur innerhalb der von Swissmedic festgelegten Indikationen und unter ärztlicher Aufsicht. Voraussetzung sind demnach eine Adipositas mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 30 oder ein BMI von 27 bis 30 bei mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung. "Mounjaro" ist zu diesem Zweck in den USA und der EU seit Ende vergangenen Jahres zugelassen.

Notiz:

DOI: 10.1001/jamainternmed.2024.2525

Quelle: SDA / Keystone - 08.07.2024, Copyrights Bilder: Adobe Stock/© 2024 Pixabay

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