Prof. Dr. Christoph Meier führte nach der Dissertation und einem mehrjährigen Auslandaufenthalt viele Jahre eine eigene Apotheke in Basel und leitete gleichzeitig eine Forschungsgruppe für Epidemiologie, bis er 2009 zum Chef-Apotheker des Universitätsspitals Basel sowie Professor für Klinische Pharmazie und Epidemiologie an der Universität Basel gewählt wurde.
1. Was tun Sie als Erstes, wenn Sie morgens zur Arbeit kommen?
Ich starte den PC und checke meine Mails. Durch die enge Zusammenarbeit mit einer Forschungsgruppe in den USA und wegen diverser Kollaboration auf Projektebene mit der pharmazeutischen Industrie in verschiedenen Erdteilen kommen die Mails halt mittlerweile rund um die Uhr rein.
2. Beschreiben Sie mit wenigen Worten Ihren beruflichen Werdegang (Studium, Stellen, Weiterbildungen).
Ich studierte Pharmazie und promovierte an der Uni Basel, arbeitete dann 4 Jahre am Unispital Zürich und danach 3 Jahre in Boston, wo ich Epidemiologie studierte und ein wissenschaftliches Postdoc absolvierte. Nach meiner Rückkehr in die Schweiz arbeitete ich je zur Hälfte in der Offizinapotheke und an der Uni, wobei ich eine eigene Forschungsgruppe aufbaute und mich dabei immer in der Lehre an der Uni engagierte. Vor 5 Jahren wurde ich Chefapotheker am Unispital Basel und erhielt daneben eine Professur am Departement für Pharmazeutische Wissenschaften in ‚Klinischer Pharmazie und Epidemiologie‘.
3. Was mögen Sie am Beruf des Apothekers?
Während meiner Zeit als Offizinapotheker schätzte ich den Kontakt zu den Kunden, denen man oft mit ein paar wenigen Tipps, mit einer Hilfestellung oder mit ein paar Informationen eine grosse Freude machen konnte und das Gefühl hatte, eine Therapie und damit das Wohlbefinden des Patienten unmittelbar positiv beeinflussen zu können. In meiner Funktion als Forscher, der mittels epidemiologischen Methoden Beiträge zur Erforschung der Sicherheit von Medikamenten leistet, schätze ich drei Dinge besonders: die intellektuelle Herausforderung, die Studie richtig zu machen, die Spannung, welche Ergebnisse wir wohl in der Studie finden werden, und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit vielen jungen Kolleginnen und Kollegen. In meiner Rolle als Dozent schätze ich das Gefühl, die jungen Leute manchmal motivieren zu können und Ihnen etwas hoffentlich Nützliches auf Ihren späteren Berufsweg mitgeben zu können.
4. Was denken Sie vom Satz "Der Kunde ist König (oder steht im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit)"?
Dies stimmt in der Offizin weitgehend, wobei man sich als Fachperson nicht erpressen oder manipulieren lassen darf. Ich habe immer gerne geholfen, aber wenn der berechtigte Wunsch nach einer guten Dienstleistung plötzlich in eine handfeste Forderung nach etwas Ungesetzlichem oder nach ungerechtfertigten Rabatten ausartet, muss man seiner Linie treu bleiben und auch mal ‚nein‘ sagen können.
5. In welchem Gebiet kann der Apotheker für die Gesellschaft von Nutzen sein? Oder anders gesagt: Welches ist der Wert des Apothekers im Jahr 2014?
Die Offizinapotheke als Institution ist als niederschwellige Anlaufstelle für Medikamente, gekoppelt mit der ebenso unkomplizierten und niederschwelligen Verfügbarkeit von Fachwissen durch die Apotheker und deren Teams, unverzichtbar. Die Apotheke wird zudem mehr und mehr Verantwortung bei der Therapiebegleitung chronischer Patienten übernehmen können und wollen, da die moderne Ausbildung in diese Richtung geht.
6. Haben Sie einen Traum, eine berufliche Ambition?
Es wäre ein Traum, dass es in der Schweiz endlich einmal gelingen wird, den leidigen Streit zum Thema ‚Selbstdispensation‘ zu begraben und mit einer sauberen Gewaltentrennung zwischen Arzt und Apotheker endlich wieder eine fachliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich zu machen, auch dort, wo die Fronten momentan ziemlich verhärtet sind. Hausärzte sollen mit Ihrem Kerngeschäft genügend Geld verdienen können, sodass sie nicht am Medikamentenhandel verdienen müssen, denn dieses System beeinflusst die fachliche Unabhängigkeit ihrer Verordnungen und führt für den Prämienzahler gesamthaft zu höheren Kosten. Hier ist die nationale Gesundheitspolitik, aber auch die FMH gefordert.
7. Wie sehen Sie die Zukunft dieses Berufes z.B. in der Prävention von chronischen Krankheiten? Spielt der Apotheker da eine Rolle?
Ja, der Apotheker kann eine wichtige Rolle spielen, wobei vor allem die Primärprävention breit greifen und bereits in der Erziehung beginnen muss. In der Sekundärprophylaxe ist das Potenzial der Apotheken noch lange nicht ausgeschöpft, hier könnte man mit neuen innovativen Modellen viel mehr erreichen, als man das bisher tut. Oft steht aber die berufspolitische Realität im Weg, wir ich bei der Antwort zuvor angetönt habe.
8. Was ist die grösste Herausforderung im Beruf des Apothekers?
Für den selbstständigen Apotheker wird das Umfeld nicht leichter. Die Erosion der Preise und Margen hat den Tiefpunkt wohl noch nicht erreicht, da es für Politiker nach wie vor am einfachsten ist, Medikamentenpreise und –margen zu kritisieren und zu senken als sich an heissere Eisen heranzuwagen. Die zunehmende Administrierung und Bürokratisierung unserer Gesellschaft führt dazu, dass man sich als selbstständiger Apotheker und Unternehmer inzwischen weit mehr mit staatlicher Überregulierung herumschlägt als mit fachlichen Themen. Eine gefährliche Entwicklung.
9. In welcher Form bzw. in welchen Gebieten können Ärzte und Apotheker (und andere Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen) sinnvoll zusammenarbeiten, damit der Patient davon profitiert?
In meiner jetzigen Tätigkeit als Chefapotheker in einem Spital und Professor für Klinische Pharmazie bin ich mitverantwortlich für den Auf- und Ausbau der Klinischen Pharmazie, also der regelmässigen Präsenz von Pharmazeuten auf Station. Diese hat das Ziel, dass Apotheker gemeinsam mit Ärzten und Pflege die Therapie diskutieren und optimieren, mögliche Therapieprobleme (Dosierungsfehler, UAW, Interaktionen…) vor dem Auftreten erkennen und verhindern und so zu einer sicheren und ökonomischen Therapie beitragen. Dies funktioniert hervorragend, die Ärzte und Pflege schätzen diese Präsenz sehr; sie nehmen die Mitarbeit der Apotheker als Hilfe, Ergänzung und Entlastung wahr, aber nicht als Konkurrenz. Leider ist das im ambulanten Bereich oftmals ganz anders, da es handfest um eine Verteilung der Mittel geht. Ein intensiver Dialog zwischen allen involvierten Spezialisten (Ärzte, Apotheker und Pflege) ist aber der einzige Weg, um eine möglichst optimale Medikamententherapie zu erreichen und um den Patienten optimal unterstützen zu können.
10. Zum Schluss: Mögen Sie lieber Tee oder Kaffee?
Am Morgen im Büro eindeutig Kaffee, an einem kalten Winterabend ganz klar Tee.
© 30.06.2014 - Pharmapro GmbH
Interviews von weiteren Apothekern:
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